Ein paar von Ihnen haben bestimmt Großeltern bzw. Eltern, die in der DDR aufgewachsen sind – falls nicht, dann werden Sie jetzt mehr dazu erfahren. Bei uns am KFG war am 05.06.2025 Herr Siegfried Wittenburg zu Gast, der selbst in der DDR aufgewachsen ist und die erste Hälfte seines Lebens dort verbracht hat oder wie er selbst sagt: „Die erste Hälfte meines Lebens habe ich in Unfreiheit und einer Diktatur verbracht, die zweite Hälfte in Freiheit und in einer Demokratie.“
Als wir zu Beginn der dritten Stunde in die Bibliothek kamen, waren schon viele Stühle in Reihen aufgestellt und vor uns wurde eine Leinwand aufgebaut, auf welcher Herr Wittenburg uns einige seiner selbst aufgenommenen Bilder zeigte. Er hatte sich 1977 von seinem Arbeiterlohn eine Kamera gekauft, um seiner Leidenschaft des
Fotografierens nachzugehen. Er fotografierte hauptsächlich problematische Gegenden – die Gegenden, die zeigen, wie es damals wirklich war: „Mit Worten musste ich vorsichtig sein, aber die Bilder sprachen für sich.“ Später tauchten diese Fotos auch teilweise im Internet auf.
Er erzählte viel darüber, wie radikal es „hinter der Mauer“ war. Einmal war er zum Geburtstag eines Familienangehörigen auf der anderen Seite der Mauer. Die BRD nannten sie auch ,,Das Land, wo Milch und Honig fließt.“ Dort kaufte er sich dann ganz viele Bücher und Zeitschriften, da es diese in der DDR nicht gab. Bei der Ausreise hat er auch gesehen, wie abgegrenzt die DDR wirklich war. Überall an der Mauer waren Stacheldrahtzäune, Polizisten und eine Frau wurde abgeführt.
Er erzählte uns auch viel über die Werte in der EU, die wir heute als selbstverständlich ansehen und die in der DDR nicht beachtet wurden. Rede-, Presse- und Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, freie Wahlen, eine unabhängige Justiz, gesellschaftliche Pluralität und einer der bedeutsamsten Punkte, die Achtung vor den Menschenrechten, gehören mit dazu.
Da er später dann auch bekannt für seine Fotos war, hatte ihn „der Staat auf dem Radar“. Sie heuerten Informanten aus seinem Freundeskreis an, die Berichte über ihn schreiben sollten. Falls sie sich weigerten, drohte man Ihnen sogar mit ihrer Familie.
Nach dem Fall der Mauer sah er sich auch seine Stasi-Akte an und eigentlich dachte er, sie hätten nicht viel gegen ihn in der Hand – ein Irrtum! Er musste erfahren, dass er, wie er selbst meint, in „einem Krimi, in dem er die Hauptrolle spielte“, gelebt hat.
Es war ein sehr spannender Vortrag, dem man gerne zugehört hat. Am Ende hatte Herr Wittenburg nur noch eine letzte Bitte: Wir, die neue Generation, sind jetzt dafür zuständig, dass dies nie wieder passiert!
Thory Scheibling, Maria Dumin (9b2)