Zur Vorstellung seiner Fotoausstellung „Jüdische Identitäten in Deutschland“ samt Vortrag und Gesprächsrunde kam Rafael Herlich in der vergangenen Woche unsere Schule. Der Fotochronist, der 1975 aus Israel nach Deutschland gezogen war, berichtete sehr persönlich anhand einiger seiner zahlreichen Fotografien von der jüdischen Kultur, von Zeitzeugen der Shoah, von der Zeit als Kind von Überlebenden der Nazi-Zeit, aber auch von der Wiederkehr jüdischer Tradition, jüdischen Lebens und Glaubens in die Bundesrepublik.
Schulleiter Jochen Henkel verwies in seiner Begrüßung auf die aktuelle politische Lage. Seit dem schrecklichen Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober sei die Welt in Aufruhr. Auf besonders schlimme Art und Weise seien die Menschen im Nahen Osten davon betroffen, aber auch bei uns vor der Haustür: In Deutschland gebe es seit dem 7. Oktober einen drastischen Anstieg antisemitischer Vorfälle. „Die Würde des Menschen ist unantastbar – auf diesen Artikel, der ganz bewusst der erste in unserer Verfassung ist, hat Frau Zinke bei ihrer Rede zur Aufnahme unserer Schule in das Bündnis „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ als Patin des Projekts kurz vor den Sommerferien mit Nachdruck hingewiesen“, betonte Henkel. Diesen Satz und seine Bedeutung sollte sich die Schulgemeinschaft immer wieder vor Augen führen. Zu unserer Verantwortung gehöre damit auch, dass Juden in Deutschland frei und sicher leben können. Dass sie nie wieder Angst haben müssen, ihre Kultur, ihre Religion offen zu zeigen. „Wir alle müssen jetzt mehr denn je Verantwortung und Courage zeigen, wenn wir antisemitische Strömungen wahrnehmen“, appellierten Henkel und Frau Holstein, die die Veranstaltung am KFG organisiert hatte, an die Schülerinnen des Jahrgangs 9 und der Einführungsphase.
Die Ausstellung der Bilder und das Gespräch mit Rafael Herlich bildeten einen von mehreren Bausteinen, die die Schule in diesen Wochen zur jüdischen Geschichte, dem jüdischen Leben und Traditionen, aber auch zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 für die Schülerschaft anbot. Herlich erzählte seine eigene Geschichte und die seines Vaters, dessen Familie im Konzentrationslager ermordet worden war. Er schilderte, dass er seinen Vater erst nach 18 Jahren Trennung, deren Umstände schleierhaft seien, in Deutschland kennengelernt habe. Seine eigene Geschichte spiele für seine Bilder eine große Rolle, und auch seine frühen Jahre, die er ohne Vater verbringen musste, haben Einfluss auf die Aufnahmen von Feierlichkeiten, zum Beispiel einer Bar-Mizwa. Die Fotografien des Mitglieds der jüdischen Gemeinde Frankfurt erzählten alle eine Geschichte und wurden somit zur Sprache Rafael Herlichs.
Zwischen seinen persönlichen Erzählungen zeigen die Schülerinnen und Schüler seine Bilder und lesen die beigefügten Erklärungen vor. Herlich stellt Bezüge zu den Fotos her und erklärt die Hintergründe. „Dieses Foto habe ich zum Beispiel beim Sportverein Makkabi Frankfurt gemacht“, sagt Herlich und hält ein Bild von drei Fußballern hoch. Es ist ein interreligiöser Verein, in dem jede Religion Platz findet. „Ich habe den Trainer gefragt, ob ich ein Bild von Spielern machen darf und er brachte mir diese drei Männer. Das Besondere war, dass sich jeweils ein Jude, ein Christ und ein Moslem gefunden hatten für das Bild“, sagt Herlich. Ihm liegt sichtlich viel daran, dass Menschen über die Grenzen von Kultur und Religion hinweg zueinanderfinden.
Auch an Schulen würden Juden nicht selten ausgegrenzt und beleidigt, erklärte Herlich und brachte einige Beispiele aus seinem unmittelbaren Bekanntenkreis. Es sei schockierend, wenn Kinder heute noch von Mitschülern mit Nazi-Parolen gegrüßt würden, weil sie jüdischer Herkunft seien. Zur aktuellen Lage äußerte er sich wie folgt: „Ich bete jeden Tag für den Frieden in der Welt.“ Aber ganz besonders wichtig ist für ihn: „Wir müssen für die Freiheit kämpfen.“ Die Schülerinnen und Schüler verabschiedeten Herrn Herlich mit großem Applaus und waren von seinen Bildern und persönlichen Schilderungen sichtlich beeindruckt. Rafael Herlich war bereits zum dritten Male bei uns zu Gast. Wir wünschen ihm und seiner Familie alles Gute und freuen uns auf ein Wiedersehen im Jahr 2024. Herzlichen Dank an Frau Holstein für die Organisation der Veranstaltung.