„Im Jahre 1942, kurz vor ihrem geplanten Transport nach Theresienstadt, beging unsere Großmutter Selbstmord. Sie wurde von ihrer Mutter, unserer Urgroßmutter Mina, auf dem alten jüdischen Friedhof in Frankfurt beigesetzt.“ Diese Worte prangen auf der großen Leinwand in der Aula des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums am vergangenen Dienstag. Es ist eine besondere Veranstaltung, die an diesem Tag in der Schule stattfindet und von Fachbereichsleiter Dr. Hans-Jürgen König moderiert wird. Vor dem Hintergrund der Stolpersteinverlegung für die Familie Ackermann in der Louisenstraße 23 hat die Initiative Stolpersteine Bad Homburg e.V. die Nachfahren der Familie, Benny Erez mit seiner Frau Jacky Fischer sowie Hagar Shmuelov und Yariv Erez aus den Vereinigten Staaten und Israel eingeladen, um mit den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe E in Dialog zu treten und über Deutschlands dunkles Kapitel zu sprechen.
„Was hat das Gespräch heute mit Euch zu tun?“, fragt Schulleiter Jochen Henkel zu Beginn der Veranstaltung die Jugendlichen – für sie erscheinen die damaligen Ereignisse fern. Umso wichtiger sei eine Veranstaltung wie diese, betont Henkel, und dokumentiert dies an einigen Zahlen. Laut jüngsten Umfragen zur Demokratiezufriedenheit seien nur etwas mehr als ein Drittel der Ostdeutschen und knapp 60% der Westdeutschen mit der aktuell gelebten und umgesetzten Form der Demokratie zufrieden. In Krisenzeiten seien die Zustimmungsraten zur Demokratie traditionell rückläufig, was sich auch an dem Zulauf rechter Parteien in Europa bemerkbar mache. „Deshalb müsst ihr für die demokratischen Werte einstehen und sie täglich verteidigen“, appellierte Henkel an die Jugendlichen. Gerade in diesen Zeiten sei es umso wichtiger, die Erinnerung an die damalige Zeit wachzuhalten.
Oberbürgermeister Hetjes nennt die Stolpersteine „kleine Würfel mit großer Wirkung“ und betont die Wichtigkeit der Kampagne. Es gehe nicht nur um die Schuldfrage, sondern auch darum, sich zu erinnern, was damals passiert ist. „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann in der Gegenwart leben, um die Zukunft zu gestalten.“ Den Jugendlichen sprach er für ihren Einsatz Dank aus.
Im Anschluss daran lasen drei E-Phasen-Schüler/-innen Textpassagen zu Einzelschicksalen jüdischer Menschen während der NS-Zeit. In der Aula herrschte währenddessen bedrückende Stille.
Benny Erez gewährte bei seiner Präsentation Einblicke in das Schicksal der Familie Ackermann mit Bildern, die er erst vor einigen Jahren im ehemaligen Wohnhaus der Familie in einem Album gefunden hatte. Er erzählt von dem Ledergeschäft, das Salomon Ackermann damals in der Louisenstraße 23 betrieb und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aufgeben musste. Er berichtet von der Flucht der Familie nach Frankfurt, den Entbehrungen und Ausgrenzungen, die die Familie dort erleiden musste. Bis auf die Söhne, denen die Emigration gelang, hat keiner der Familie diese Zeit überlebt.
Auf die Frage eines Schülers, ob es in Israel und Deutschland nun für Juden sicherer geworden sei, antwortet Erez, dass es mittlerweile sehr sicher in diesen Ländern sei, auch wenn dort und auch in Amerika der Antisemitismus wieder vermehrt auftrete. Die Welt habe sich verändert, sagt Erez. Es gebe eine Menge guter Menschen, die heute anders auf das Judentum schauen. Leute wie hier in der Aula, die den Menschen im Vordergrund sehen, der das Recht auf ein Leben hat. „Wir sollten alle eine Demokratie haben und in Harmonie miteinander leben“, sagt Erez am Schluss. „Auch wenn wir unterschiedliche Religionen oder Ansichten haben: Wir sind alle gleich!“
Zum Ende der Veranstaltung überreichten Schülerinnen und Schüler einer 5. Klasse den Zeitzeugen-Nachfahren sowie Schulleiter Henkel und Oberbürgermeister Hetjes selbst gemalte Werke, auf denen Botschaften wie „Friede“ oder „Freundschaft“ stehen.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Zeitzeugen-Nachfahren der Familie Ackermann für ihr Kommen und ihre bewegenden Einblicke in die Familiengeschichte während der NS-Zeit. Weiterhin bedanken wir uns bei Herrn Juretzek (Initiative Stolpersteine e.V. Bad Homburg) und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hochtaunus e.V. für die Initiierung der Veranstaltung am KFG und bei Herrn Dr. König für die Organisation vor Ort. Unser Dank richtet sich zudem an Oberbürgermeister Hetjes für sein Kommen und seine Grußworte, an das Große Orchester unter Leitung von Frau Möller-Wälde, welches die Veranstanstaltung musikalisch umrahmt hat, sowie bei den aktiv beteiligten Schülerinnen und Schülern (Vorleser, Kunstwerke für die Gäste).